Bei Zillers im Stall - Schafschur hautnah

Montessori-Zentrum startet Pilotprojekt „Bauernhof als Lernort“

Fünfundvierzig Schafe der Bauernfamilie Ziller brauchten auch in diesem Frühjahr dringend eine neue Kurzhaarfrisur in Hofheim-Diedenbergen

Die geschorene Wolle wird in große Säcke gepackt

Begutachtung der Wolle

Der Profischerer Manfred Jauernig (64), seit über 40 Jahren Berufsschäfer mit Herden bis zu 1260 Tieren, sowie seine Partnerin Tanja Grzybinski (41, Altenpflegerin und Hobbyschererin) kamen am Samstag, 30. April 2016, zum Schafescheren in Zillers Stall nach Diedenbergen.

Unterstützt wurden sie kurzerhand durch kleine Schererhelfer. Es handelte sich dabei um Schulkinder aus der Montessori-Schule Hofheim, die im Rahmen ihres Wahlpflichtunterrichts „Garten“ direkt beim Bauernhof einen Lernort für alle Sinne „begreifen“ duften. Sie erlebten die enge Verflochtenheit von Tier und Mensch und bekamen durch Erläuterungen und Erzählungen von Scherern und Frau Ziller ein erstes besseres Verständnis zur respektvollen Begegnung mit Tieren. Auch Tochter Sabrina Ziller kam eigens zu diesem Anlass an jenem Tag mit ihrem zukünftigen Ehemann zum Stall, half mit und zeigte auch den Kindern den umsichtigen Umgang mit den Tieren. 

Die SchülerInnen konnten für ca. 3 Std. hautnah beim Treiben der Schafe bis zum Scherer, beim Wegtragen der Wolle und auch beim Vollstopfen der Wollsäcke mit anpacken. Nur an das Schafescheren mit der Maschine trauten sie sich nicht heran, da sie erfuhren, dass die Scherer Boxerschienen zum Schutz ihrer Zähne tragen – um auch noch im hohen Alter alle Zähne im Mund zu haben.

Zum Schluss wurden von den 45 Schafen ca. drei Säcke voller Wolle erwirtschaftet, also ca. 60 kg, die später - wie wir vom Landwirt erfuhren - zu einem Kilopreis von 0,80 Euro an einen Händler verkauft werden. Der Profischerer erzählte den Kindern, dass der Händler später diese Wolle zusammen mit der von anderen Herden in ganz Deutschland zusammenträgt und sie in den Niederlanden waschen lässt. Anschließend verteilt er die gereinigte Wolle in ganz Europa zur Verarbeitung. 

Nehme man den Schafen die Wolle nicht ein bis zwei Mal im Jahr ab, bekämen sie im Sommer einen Hitzeschlag oder bekämen aufgrund des Wollgewichts und der Menge gesundheitliche Schwierigkeiten, meinte Hobbyschererin Grzybinski.

Manchmal, erfuhren die SchülerInnen, verwenden die Bauern ihre Wolle als Dämmmaterial für ihr eigenes Fachwerkhaus - was biologisch gesünder ist als industriell gefertigte Dämmmaterialien.  

Naturbelassene Wolle ist Heilwolle bei Neurodermitis

Als die Kinder die Wolle in den Säcken bestaunten und anfassten, erzählte ihnen Frau Ziller, dass die naturbelassene Wolle (= Heilwolle) wegen ihres Lanolin-Gehaltes zur Neurodermitis-Therapie hoch geschätzt wird. Lanolin (= Wollwachs oder Wollfett) ist das Sekret aus den Talgdrüsen der Schafe, erklärte sie. Es beschleunigt die Wundheilung und ist deshalb in Wundsalben, Babycremes und Pflegecremes für die strapazierte Haut sowie in Hautschutzsalben enthalten.

Während Frau Ziller auf all die interessanten Eigenschaften von Wolle, auf die unterschiedlichen Wollqualitäten aufmerksam machte sowie auf den respektvollen und umsichtigen Umgang mit den Tieren einging, wurde es immer unruhiger und lauter im Stall. Immer wenn ein geschorenes Schaf den Scherertisch verließ und zurück in den abgetrennten Teil des Stalls zu seiner Herde ging, ertönte ein immer lauteres Mähen. Kleine Schäfchen suchten nämlich verzweifelt ihre Mutter. Sie konnten sie nicht mehr „erriechen“ und erkannten sie wegen der „Kurzhaarfriseur“ auch nicht unmittelbar.

Diesen unvergesslichen Tag konnten die Montessori-Kinder im Rahmen des von der Montessori-Lernbegleiterin Annette Courtis und Frau Ziller gestarteten Pilotprojektes „Bauernhof als Lernort“ machen.

Das Projekt konnte dankenderweise mit der tatkräftigen Unterstützung von Frau Cornelia Geratsch verwirklicht werden. Frau Geratsch ist zuständig für Regionalentwicklung und Kommunikation im Amt für Ländlichen Raum im Hochtaunuskreis und konnte im Rahmen der Aktion „Bauern-Schlau“ / „Bauernhof als Klassenzimmer“ das Pilotprojekt der Schule auch finanziell über Sponsorengelder unterstützen.

Beim Pilotprojekt handelt es sich um den ersten Versuch einer engeren Kooperation zwischen der Montessori-Schule Hofheim und dem landwirtschaftlichen Betrieb von Cornelia und Mario Ziller (Beamte der Stadt Hofheim und nebentätige Ortslandwirte in Marxheim und Diedenbergen), die bereits im Herbst den Kuhmist für den Schulgarten zur Verfügung stellten.  Sie bewirtschaften im Nebenerwerb gemeinsam mit ihrer Familie den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Tierhaltung, verkaufen landwirtschaftliche Produkte in der Schulstraße, Marxheim – nur Milch verkaufen sie nicht, da sie wollen, dass die Kleintiere nicht zugefüttert werden, sondern nur die Milch ihrer Mutter trinken. 

(05.05.2016)